Arzt für Kinder- und Jugendmedizin, Neonatologe, Dipl. Biologe,

Asthmatrainer, Psychosomatik, Reisemedizin, Gelbfieberimpfstelle

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Rotaviren

Rotaviren sind die häufigste Ursache für Magen- Darmerkrankungen (Gastroenteritis) im Kindesalter. Ihren Namen erhielten die Viren wegen ihres Erscheinungsbildes im Elektronenmikroskop, wo sie wie ein Rad mit Speichen aussehen (lat. Rota = Rad).

Epidemiologie

Fast alle Kinder erkranken bis zu einem Alter von 3 Jahren an einer Rotavirus-Infektion. Weltweit lösen Rotaviren mehr als 70% der schweren Durchfallerkrankungen bei Kindern aus und sind damit die häufigste Ursache von Darminfektionen in dieser Altersgruppe. In den westlichen Industrieländern erkranken am häufigsten Säuglinge und Kinder im Alter von 6 Monaten bis zu 2 Jahren. Bis zu einem Alter von 5 Jahren erkrankt nahezu jedes Kind an Rotaviren. Die Ursache hierfür ist eine noch fehlende Immunität gegen die Viren (im Laufe der ersten Lebensjahre werden infolge von Kontakten mit Rotaviren zunehmend Antikörper (Abwehrkörper aus Proteinen) gebildet. Dennoch sind Rotaviren die häufigste Ursache einer stationären Aufnahme (Krankenhausaufenthalt) auf Grund eines Magen-Darminfektes. In den Nicht-Industrieländern sind die Rotaviren die Haupttodesursache durch eine Gastroenteritis und tragen maßgeblich zur Mortalität im Kindesalter bei.

Es wird geschätzt, dass in Afrika, Asien und Lateinamerika jährlich etwa 500 Millionen Kinder erkranken und etwa 600000 bis zu 1000000 durch Rotavirus-Infektionen sterben. Ca. 85% der Todesfälle nach Rotavirus- infektionen ereignen sich in den sog. Entwicklungsländern, aber auch in Deutschland sind Todesfälle bekannt (seit Eltern die Gefahr der Austrocknung durch Durchfall und Erbrechen bewusst ist, sind solche Todesfälle zum Glück nur noch selten zu beklagen). Bei Neugeborenen und Kleinkindern sind Rotaviren die Hauptursache für im Krankenhaus selbst erworbene (nosokomiale) Darminfektionen. Ursache hierfür ist die hohe Infektiosität der Rotaviren. Die Erkrankungshäufigkeit ist in den Wintermonaten am größten, weil die Übertragung des Virus in geschlossenen Räumen, speziell auch bei trockener Raumluft, effizienter ist.

Im Erwachsenenalter treten Erkrankungen vor allem als Reisediarrhoe (Durchfall erworben auf Reisen, ca. 20 % der Reisediarrhoen entstehen durch Rotaviren), bei Eltern erkrankter Kinder oder im Rahmen von Ausbrüchen in Altenheimen in Erscheinung.

Mit dem IfSG (§6 und 7) wurde in Deutschland eine Meldepflicht für Rotavirus- Erkrankungen eingeführt. Im Jahr 2001 wurden 50199 Erkrankungen gemeldet, 82,3% dieser Erkrankungen betrafen Kinder im Alter bis zu 5 Jahren; 5,3%
(2657) traten bei Personen über 60 Jahren auf, wovon 23% (623) der Erkrankten in einem Altenheim lebten.

Infektionsweg

Rotaviren werden besonders durch Schmierinfektionen (fäkal-oral), aber auch durch kontaminiertes (mit Rotaviren belastetes) Wasser und Lebensmittel übertragen. Obwohl sich die Viren im Respirationstrakt (Atemwege) nicht vermehren, können sie in der akuten Phase der Erkrankung auch in Sekreten der Atemwege ausgeschieden werden, so dass auch eine Übertragung über die Luft (aerogen) möglich ist. Das Virus ist sehr leicht übertragbar, bereits 10 Viruspartikel reichen aus, um ein Kind zu infizieren. Bei akut Infizierten werden 100 Milliarden Viren pro g Stuhl ausgeschieden. Die Infektion geschieht praktisch nur von Mensch zu Mensch. Zwar werden Rotaviren auch bei Haus- und Nutztieren gefunden, doch besitzen diese Viren offensichtlich keine größere Bedeutung für Erkrankungen von Menschen. Da es mehrere Rotavirusgruppen gibt (siehe Klassifikation des Erregers), kann ein und dieselbe Person mehrfach eine Rotavirusinfektion erleiden.

Inkubationszeit:

Die Inkubationszeit beträgt 1-3 Tage.

Dauer der Ansteckungsfähigkeit:

Eine Ansteckungsfähigkeit besteht während des akuten Krankheitsstadiums und solange das Virus mit dem Stuhl ausgeschieden wird. Üblicherweise sind dies 8 Tage, unter Umständen bis zu 30 Tagen bei Abwehrschwäche).

Krankheitssymptome

Die Rotaviren vermehren sich in bestimmten Darmzellen (Epithelzellen der sog. Villusspitzen der Dünndarmzotten), wodurch diese Zellen absterben. Die abgestorbenen Zellen werden durch sog. unreife Zellen ersetzt, deren Fähigkeit zur Aufnahme von Nahrungsstoffen (Absorption) eingeschränkt ist (=Malabsorption). Je nach Schwere der Erkrankung kommt es zu milden Bauchschmerzen, leichten Durchfällen (=Diarrhoe) bis zu wässeriger Diarrhoe mit zum Teil schwerem Erbrechen und Fieber bis über 40°C. Im Stuhl finden sich oft Schleim-Beimengungen. Die Symptomatik unterscheidet sich nicht von Magen- Darmerkrankungen (Gastroenteritis) durch andere Gastroenteritiserreger. Der Verlauf ist bei Säuglingen und Kleinkindern in der Regel schwerer als bei Durchfallerkrankungen durch andere Erreger. Nach Ablauf der Infektion lassen sich Antikörper gegen den Rotavirustypus (s. u.) nachweisen.

Diagnose

Die labordiagnostische Methode der Wahl ist der Nachweis aus dem Stuhl mittels Enzym-Immun-Test (speziell: ELISA = Nachweis eines gruppenspezifischen Antigens des inneres Kapsids). Der direkte Virusnachweis mittels Elektronenmikroskopie ist leicht möglich, wird aber wegen des hohen Aufwandes und der damit verbundenen Kosten nur selten durchgeführt. Zur weiteren Diagnostik können RNA-Elektrophorese und PCR (Polymerase-Kettenreaktion) eingesetzt werden.

Therapie

Die Therapie besteht in der Zufuhr von Flüssigkeit, der Vermeidung schwerer zu verdauender Nahrungsmittel (sog. Diätkost) und bei schwereren Verläufen durch die Gabe von Salzlösungen (= Substitution von Elektrolyten).

Bei hohem Flüssigkeitsverlust besonders bei Säuglingen/Kleinkindern ist eine intravenöse Flüssigkeitszufuhr (Infusion) erforderlich. Unter den gemeldeten Erkrankungsfällen ist verständlicherweise der Anteil der Krankenhausbehandlungen recht hoch.

Schutz vor Ansteckung

Desinfektionsmaßnahmen haben oft wenig Erfolg.

Für eine Schutzwirkung ist das Vorhandensein von Antikörpern im Darm (sog. intraluminarer sekretorischer IgA-Antikörper) entscheidend, Serum-Antikörper (im Blut) allein sind nicht ausreichend. Der Ausgang einer Rotavirus-Infektion ist vom Verhätnis von Virusanzahl (-dosis) zu den Antikörpern (IgA) abhängig). Sektretorische IgA- und Serumantikörper sind frühestens 7-10 Tage nach Infektions-/Symptombeinn nachweisbar. Eine frühere Erkrankung kann bei späterer Reinfektion mit demselben bzw. einem andere Typ vor Erkrankung schützen.

Impfung

Eine Impfung steht gegenwärtig nur für 6-12 Wochen alte Säuglinge im Rahmen einer sog. Phase III- Studie zur Verfügung. In der USA war 1998 eine Schluckimpfung gegen Rotaviren in den normalen Impfplan aufgenommen worden (RotaShield® von Fa. Weyth Pharma). 1999 wurde diese Impfung wg. des Verdachts auf Zunahme von Invaginationen (Darmeinstülpungen - engl. intussusception) wieder zurückgezogen. Invaginationen treten bei Säuglinge und Kleinkindern in der Regel spontan mit einer Häufigkeit von 1: 1000- 1:2500 auf. Die Gesamtinvaginations-Rate im 1. Lebensjahr war bei den Geimpften nicht erhöht.

Für besonders interessierte Leser etwas Näheres zum Aufbau der Rotaviren:

Klassifikation der Rotaviren

Rotaviren wurden 1973 erstmals beschrieben und sind 65 - 75 nm große unbehüllte, doppelsträngige RNS-Viren, die zur Familie Reoviridae gehören. Die Viren sind strukturell dreischichtig (äußeres und inneres Kapsid und Core-Schale. Das Virusgenom besteht aus 11 Segmenten, die für 6 Strukturproteine und 5 andere Proteine kodieren. Das reife Rotaviruspartikel besteht aus einem Dreifach-Kapsid. Die innere Hülle beinhaltet die RNA und wird von drei Proteinen gebildet. Das mittlere Kapsid wird ausschließlich vom sogenannten VP6 Protein gebildet und definiert Gruppen- und Subgruppenspezifität. Die beiden Proteine in der äußeren Hülle weisen eine hohe Antigenvariabilität auf. Entsprechend werden Rotaviren anhand dieser Variabilität klassifiziert. Man unterscheidet 7 Serogruppen (A–G). Rotaviren der Gruppe A kommt weltweit die größte epidemiologische Bedeutung zu. Die Antigenität des Virus wird von zwei Oberflächenproteinen (VP 4 und VP 7) bestimmt, anhand derer auch die Einteilung der Viren einer Serogruppe in unterschiedliche Serotypen (Genotypen) nach einem binären System erfolgt. Man unterscheidet 14 VP7-Typen (›G-‹) und 20 VP4-Typen (›P-‹), (s. Abb.). Der größte Anteil der Rotavirus-Erkrankungen (~ 75 %) wird durch Rotaviren des Typs G1P8 verursacht. – Rotaviren sind sehr umweltresistent (hohe Tenazität, Säure- und Hitzeresistenz). Von den Rotaviren der 7 Serogruppen (A-G) kommen aber nur die ersten drei (A-C) beim Menschen vor. Die Rotaviren der Gruppe A sind am weitesten verbreitet und für die meisten Infektionen bei Kindern verantwortlich. Ermöglicht wird die genetische Variabilität der Rotaviren auch durch Rekombination der RNS-Segmente. Ist eine Zelle von verschiedenen Typen infiziert, so ist eine Vermischung und damit Neuanordnung der RNS-Segmente relativ wahrscheinlich. Denselben Mechanismus vermutet man übrigens auch bei der Entstehung des Sars-assoziierten Coronavirus, dessen Herkunft bislang noch nicht geklärt werden konnte. Zahlreiche epidemiologische Studien wurden weltweit durchgeführt, um die Subtypen-spezifische Verteilung der Gruppe A Rotaviren zu ermitteln. In Deutschland findet man in der Regel Rotaviren Typ G1P1A. Allerdings sind in anderen Teilen der Welt durchaus andere G (=Glykoprotein)- und P (=Protease-sensitives Protein)-Typen als dominante Varianten zu finden, so zum Beispiel G5 in Brasilien, G9 in Indien oder den Vereinigten Staaten sowie G10 wiederum in Indien. Es besteht jedoch die Befürchtung, dass mit der Zunahme des Tourismus verschiedene Genotypen auch in anderen Teilen der Welt vorherrschender werden.

Literatur

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